Einen weiteren traurigen Tiefpunkt hat die Demokratie in Sachsen heute erfahren müssen. Der sächsische Landtag hat heute im 2. Wahlgang den alten Ministerpräsidenten Kretschmer (CDU) auch zum neuen Ministerpräsidenten gewählt – und zwar gegen die Mehrheit der bürgerlich-konservativen Wähler, die mit 62,5 % der Stimmen für CDU und AfD einen klaren Regierungsauftrag bei den Landtagswahlen in Sachsen gegeben hatten. Kretschmer zog es vor, lieber eine Minderheitskoalition mit der SPD einzugehen, um die Demokratie-feindliche Brandmauer aufrecht zu erhalten, als dem Wählerwillen Folge zu leisten. Mehr Verachtung kann man dem eigenen Volk nicht entgegen bringen.
Im ersten Wahlgang konnte Kretschmer noch nicht die notwendige, absolute Mehrheit der Landtagsabgeordneten auf sich vereinen, doch im 2. Wahlgang erreichte er diese mit insgesamt 69 Stimmen, obwohl eine einfache Mehrheit gereicht hätte. Es hatten ihn also nicht nur die CDU- und SPD-Fraktion gewählt, sondern auch einige Abgeordnete der Grünen und Linken. Überraschend war für einige vielleicht Matthias Bergers Ergebnis. Im 2. Wahlgang erhielt er plötzlich 39 Stimmen, obwohl es im 1. Wahlgang nur 6 Stimmen waren. Damit dürfte ihn im 2. Wahlgang die komplette AfD-Fraktion (außer Jörg Urban selbst) gewählt haben. Ein Coup, wie er 2020 in Thüringen noch gelang, um der bürgerlich-konservativen Wählermehrheit zumindest ein unabhängiges Landesoberhaupt zu geben, wurde heute in Sachsen durch die gesellschaftszersetzende Brandmauer des SED-Einheitsparteienkartells unter Generalsekretär Kretschmer verhindert.
BSW: Opportunisten oder Opposition?
Einziger Wehmutstropfen bleibt, dass es Kretschmer mit seiner Minderheitskoalition deutlich schwerer fallen dürfte, übergriffige Gesetze gegen den Willen der Opposition durchzusetzen, die durch das BSW hoffentlich an Stärke im sächsischen Landtag gewinnen könnte. Sicher ist dies indes bei weitem nicht, wenn man sich das Verhalten der Alt-Kommunisten anschaut. So wurde der bisher einzige Abgeordnete, der sich auf einer Friedensdemo in Görlitz zusammen mit der Mitte der Gesellschaft für Frieden aussprach, Jens Hentschel-Thöricht, von der Parteiführung anschließend zurecht gestutzt. Zukünftige Redeanfragen müssen erst vom Zentralkomitee freigegeben werden. Auch sonst scheinen die Reihen der BSW-Funktionäre eher aus denen alter, profilloser Kommunisten und Linker entstanden zu sein, die nicht gerade durch engagierten Einsatz für Frieden und Freiheit aufgefallen sind. Im Gegenteil, solche mutigen, langjährig verdiente Aktivisten wie der ehemalige Feuerwehrmann Marcel Jäschke wurden vom BSW sogar geschasst. Überdies haben sie bei der heutigen Abstimmung im 2. Wahlgang sogar Matthias Berger, der sich gegen eine Brandmauer positioniert hatte, ihre Stimme verweigert.
Daher heißt es für die Friedens- und Freiheitsbewegung nach diesen Wahlen: Jetzt erst recht! Es kommt auf uns an. Wir machen den Unterschied! Denn wir sind die einzige wirklich unabhängige politische Initiative in diesem Land.